„Zentrum Automobil e.V.“ – eine neofaschistische Betriebsgruppe bei Daimler Stuttgart
Ziel ist gemäß ihrer Satzung der Aufbau von Betriebsgruppen in der Automobilindustrie, ausgehend vom Pilotprojekt beim Autohersteller Daimler. Dort arbeitet die Gruppe am Daimler-Stammsitz in Stuttgart-Untertürkheim seit Jahren. Ihre Aktivitäten richten sich besonders gegen die Arbeiteroffensive und die seit Jahrzehnten dort geleistete marxistisch-leninistische Kleinarbeit. Der Einfluss revolutionärer und klassenkämpferischer Kräfte wächst, wie zuletzt durch den Erfolg der „Offensiven Metaller“ mit sieben Prozent bei den Betriebsratswahlen im März 2014. Das wird vom „Zentrum“ attackiert.
Die Eigendarstellung der Gruppe „Zentrum“ als „überparteilich“ ist vorsätzlicher Betrug. Alle wesentlichen Ziele und Methoden können und müssen – trotz Tarnung – ideologisch, politisch und organisatorisch auf die neofaschistische Szene unter maßgeblicher Führung der NPD zurückverfolgt werden. Der Gleichklang mit dem NPD-Programm ist unverkennbar!
Wie gegenüber der NPD und anderen Neonazis muss auch gegen „Zentrum“ die Forderung nach Verbot aller faschistischen Organisationen vertreten und durchgesetzt werden. In diesem Sinne ist eine Aufklärungs- und Erziehungsarbeit in Betrieb und Gewerkschaft zu leisten. Sie muss die antifaschistische Wachsamkeit in der Öffentlichkeit und besonders den Belegschaften schärfen und das proletarische Klassenbewusstsein wecken und höherentwickeln.
Dass die Liste des „Zentrum“ bei den erwähnten Betriebsratswahlen in Untertürkheim ihrerseits 1.200 Stimmen verbuchen konnte und damit fast zehn Prozent, muss als Alarmsignal verstanden werden. Vor allem bedeutet es eine kritische Herausforderung an alle gewerkschaftlichen, kämpferischen und klassenkämpferischen Kräfte, darauf offensiv zu antworten!
„Zentrum“ entfaltet sozialfaschistische Demagogie
„Zentrum“ entfaltet eine nicht immer leicht zu durchschauende sozialfaschistische Demagogie unter der Belegschaft, z. B. auf Betriebsversammlungen oder mit ihrer Betriebszeitung „Kompass“. Dabei nützt sie an der Basis vorhandene Kritiken an der Klassenzusammenarbeitspolitik der rechten Gewerkschafts- und Betriebsratsspitze aus. Sie stilisiert sich – wie es ihre Hauptlosung zu den Betriebsratswahlen ausdrückte – zur „Opposition gegen das Co-Management“.
Diese Pseudo-Ablehnung des reformistischen Co-Managements wächst jedoch aus neofaschistischen Wurzeln, was vielen Kollegen und selbst verschiedenen Kandidaten auf der Betriebsratsliste des „Zentrum“ nicht wirklich bewusst ist. Das „Zentrum“ vertritt als ,Alternative‘ die faschistische Betriebsgemeinschaft und Volksgemeinschaft – und damit die offenste und brutalste Unterdrückung nach dem Vorbild der NSDAP Hitlers. Diese prägte dafür die Losung „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“ Entsprechend wurde in den Betrieben jede kämpferische Regung gnadenlos verfolgt und galt die absolute Unterordnung unter die sogenannten „Wehrwirtschaftsführer“ in der Betriebsleitung. Ausgehend von der Ideologie der Betriebs- und Volksgemeinschaft wird auch heute vom „Zentrum“ die offene Feindschaft gegenüber dem proletarischen Klassenkampf und seinen Vertretern im Betrieb propagiert. („Wider den Klassenkampf! Die gegenseitige Abhängigkeit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber muss Einzug in das Bewusstsein der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer haben!“)
Ins Visier genommen werden vom „Zentrum“ nicht die kapitalistischen Monopole und ihre Ausbeutung als solche, sondern die sogenannte „Globalisierung“ und anonyme „multinationale Konzerne“. Demgegenüber wird demagogisch auf eine „Raumorientierte Wirtschaft“ gesetzt, wie es das NPD-Programm vorgibt. Dabei orientieren sich die Neofaschisten an den Interessen der nationalen Monopole und nichtmonopolistischen Bourgeoisie. Zugleich wollen sie die deutschen Vertreter des internationalen Finanzkapitals wie Daimler wesentlich stärker machen. In diesem Sinn identifiziert sich die Gruppe „Zentrum“ vollständig mit den Vorstandsplänen von Daimler-Chef Zetsche zur Eroberung der Weltmarktführung. Ihre Kritik daran ist einzig und allein, dass Daimler eben diesen Spitzenplatz nur dann erreichen könne, wenn er seine Autos in Deutschland mit deutschen Arbeitern und deutschen Produkten herstellen lassen würde. („,Made in Germany‘ muss wieder ,Gefertigt in Deutschland‘ heißen!“) Hinter der scheinbar antikapitalistischen Kritik verbirgt sich offene und reaktionäre nationalistische Hetze mit dem Hauptstoß gegen den proletarischen Internationalismus und dessen Leitlinie „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Losungen wie „Solidarität nur in Untertürkheim – und nicht anderswo!“ richten sich auch direkt gegen die Internationale Automobilarbeiterkonferenz (IAC) und ihr für 2015 in Sindelfingen geplantes weltweites Treffen. Entsprechend attackiert das „Zentrum“ den angeblichen „Irrweg des Internationalismus“.
Der reaktionäre, nationalistische und aggressiv antikommunistische Kurs der Gruppe „Zentrum“ richtet sich auch in der aktuellen betrieblichen Auseinandersetzung gerade im Werk Untertürkheim keineswegs gegen Leiharbeit und Werkverträge sowie für die Gleichstellung dieser Kollegen mit den Stammbeschäftigten. Konkret wird allein die bestehende Leiharbeitsquote von acht Prozent kritisiert, aber nur im Sinne einer angeblichen Verhinderung des „Ausblutens deutscher Standorte“. Was sich dahinter verbirgt, ist die Forderung der NPD: „Fremdarbeiter stoppen – Arbeit für Deutsche!“ In der Konsequenz heißt das, wie ebenfalls von der NPD propagiert, ausländische Kollegen aus jeglicher Sozialversicherung in Deutschland herauszuwerfen und sie – wenn überhaupt – alle sozialen Kosten selbst finanzieren zu lassen.
Neben der offenen Feindschaft zu revolutionären, sozialistischen und internationalistischen Positionen und Kräften geht von der Gruppe „Zentrum“ eine fortgesetzte und penetrante gewerkschaftsfeindliche Hetze aus. Vom neofaschistischen Prinzip her lehnt sie Gewerkschaften als Klassenorganisationen ebenso wie die NPD ab, denn sie gelten als eine Form „übertriebener Einzel- und Gruppeninteressen“, die sich gegen das Funktionieren der „Volksgemeinschaft“ richten würden. Konkret ist das verbunden mit typisch sozialfaschistischen und zynischen Verleumdungen, z. B. die IG Metall als „IG Möchtegern“ und den DGB als „Dämlichen Geheim Bund“ zu diskreditieren. Umso wichtiger ist, die Einheitsgewerkschaft auf antifaschistischer Grundlage zu festigen, statt sich durch antikommunistische Tiraden nach dem Muster „Rechts- und Linksradikale machen gemeinsame Sache“ spalten zu lassen – wie es nach den Wahlen im Untertürkheimer Werk prompt aus Teilen der Betriebsratsspitze zu hören ist. Faschisten sind überhaupt nicht radikal, sie gehen dem Kapitalismus gerade nicht an die Wurzel, sondern sind seine aggressivsten Verteidiger!
„Zentrums“-Führer Hilburger, faschistische Musikszene und NSU
Der Führer der Gruppe „Zentrum“ ist Oliver Hilburger, früher Mitglied der neofaschistischen Band „Noie Werte“. Mit ihrer Musik waren die Bekennervideos der NSU-Terroristen unterlegt. Erst als die Gruppe NSU aufgeflogen war, distanzierte sich Hilburger in einer öffentlichen Erklärung vom Dezember 2011. Die Erklärung muss als taktische Maßnahme ohne grundsätzliche Selbstkritik gewertet werden. Hintergrund ist, dass Hilburger ohne diese Erklärung weder als Daimler-Betriebsrat noch überhaupt als Beschäftigter bei Daimler auch nur einen Tag länger tragbar gewesen wäre. Mit Sicherheit kann davon ausgegangen werden, dass dies spätestens mit Beginn des NSU-Prozesses in München auch seitens des Daimler-Vorstands eine Bedingung seiner Weiterbeschäftigung war. Die Erklärung Hilburgers selbst distanziert sich zwar von der Gruppe NSU, aber ohne ein einziges Wort der Kritik an der Gruppe „Zentrum“ und der von ihr ausgehenden neofaschistischen Politik. Stattdessen wendet sie sich gegen den angeblichen „Missbrauch ehrenwerter Ziele“ – wie offenbar derjenigen von Hilburger – durch die NSU-Leute. Das ist durch und durch heuchlerisch und eine Beibehaltung und Rechtfertigung der eigenen neofaschistischen Gesinnung und Praxis.
Die Gruppe „Zentrum“ gilt in Neonazi-Kreisen Deutschlands als Vorbild für eine erfolgreiche faschistische Betriebsarbeit. Inwieweit sie den Aufbau von Betriebsgruppen über Daimler Untertürkheim hinaus betreibt, muss weiter untersucht werden. Von Seiten der Monopole ist keine veröffentlichte Kritik an dieser faschistischen Gruppe bekannt. Ihre Aktivitäten werden zumindest in Stuttgart vom Daimler-Management bewusst zugelassen und gefördert. Soll auf diese Weise eine neofaschistische Reserve in den Betrieben und Gewerkschaften aufgebaut werden, um sich so gegen einen Aufschwung des proletarischen Klassenkampfs vorzubereiten? Das erinnert an 2004/05 und die massenhaften Proteste gegen die Hartz-Gesetze. Damals sollte neofaschistischen Gruppen der Zugang in die Demonstrationen nicht selten unter Polizeischutz freigekämpft werden – allerdings vergeblich.
Gegen Gruppen wie das „Zentrum Automobil“ muss ein ideologisch-politischer Damm errichtet und organisatorisch eine breite antifaschistische Einheitsfront geschmiedet werden: Keinen Fußbreit den Faschisten – nirgendwo und schon gar nicht in den Betrieben! Peter Borgwardt
(Verwendete Zitate aus: „Unsere Ziele“, „Vereins-Satzung“, „Kompass“ – alle herausgegeben von „Zentrum“ sowie NPD-Programm)
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